Bist Du eso oder was?
Zeit meines Lebens habe ich eine Abneigung gegen die Begriffe Spiritualität, Esoterik, Geistführer und Geistiges Heilen. Ich konnte mich nie damit identifizieren, irgendetwas davon zu sein. Esoterisch beschreibt nicht, was ich tue, fühle oder wie ich mich entschieden habe zu leben. Mit Spiritualität verbinde ich noch heute etwas sehr Gläubiges, Frommes, Kirchliches. Das alles sind nur Aspekte von mir und nichts davon fühlt sich stimmig als Bezeichnung an. Und doch komme ich ständig mit genau diesen Begriffen in Berührung. Das hat dazu geführt, dass ich mich eines Tages fragte: Wenn ich all das nicht bin - was genau bin ich dann?
Nun ist die Suche nach einem neuen, modernen Begriff keine leichte Angelegenheit. Und der Auslöser für sagen wir mal, die Rebellion dagegen, liegt natürlich in meiner Prägung. Meine Eltern sind unglaublich offene und tolle Menschen und das, was wir im Allgemeinen als spirituell bezeichnen, wurde in meiner Familie von Natur aus gelebt. Meine Oma war hellsichtig, meine Mutter ist Astrologin und arbeitet mit Tarotkarten … So bin ich aufgewachsen und geprägt seit meiner frühen Kindheit. Aber eben ohne irgendeine zugehörige Begriffsmarke.
Da das alles so völlig normal und alltäglich für mich war, ging ich auch genauso offen in die Welt hinaus. Eine gute Idee? Nicht so sehr. Denn ziemlich schnell merkte ich, dass die Menschen da draußen irgendwie anders tickten. Realität waren nur Dinge, die man anfassen, schmecken, sehen konnte. Realität war, in seinem Hamsterrädchen aus Stress festzustecken und lieber zu klagen, anstatt etwas zu ändern. Darüber tauschte man sich oft und lang aus. Anfangs teilte ich noch bewusst mit, was ich von den Engeln und Wesen um mich herum spürte und erklärt bekam. Ich legte Tarotkarten und übermittelte, was ich von der Aura der Menschen wahrnahm und wie sie sich selbst helfen konnten. Doch schnell lernte ich, dass die Ratschläge der Engel oft gar nicht erwünscht waren oder gehört werden wollten. Fragend legten die Menschen den Kopf zur Seite und belächelten mich im freundlichsten Fall für meine Übermittlungen. Ziemlich früh bekam ich so die Marke „Eso“ aufgedrückt. Als Jugendliche rebellierte ich dagegen und wollte mit all dem nichts mehr zu tun haben. Ich schwor meiner inneren Führung ab und passte mich an. Ich wollte nicht spiri sein, sondern cool.
Eine ganze Zeit lang schwirrte ich so durch die Welt und ignorierte, was ich intuitiv spürte. Lief doch alles ganz gut, warum also etwas ändern. Dann, eines Tages, mit knapp 20 Jahren wurde ich ziemlich krank. Über ein Jahr rebellierte mein Körper, nichts funktionierte mehr, wie ich es gewohnt war und ganz plötzlich von jetzt auf gleich entglitten mir Vertrauen und Hoffnung. Oder besser gesagt: Mir wurde mit einem gewaltigen Arschtritt bewusst gemacht, seit wann ich aufgehört hatte, auf meine Führung zu hören. Das war eine sehr intensive Zeit mit vielen Tiefen und wenig Höhen. Alles in meinem Leben wurde zurück auf Null gesetzt. Aus heutiger Sicht weiß ich, es ging um eine Neustrukturierung und Reinigung meines Systems. Mein ganz persönlicher Gong-Schlag. Und ich stand an einer Kreuzung: Wollte ich endlich aufwachen und wieder zu mir zurück finden oder weiter in mein persönliches Verderben aus Ignoranz rennen? Die Antwort war klar.
Dieser Prozess lehrte mich, mich wieder anzunehmen und zu akzeptieren. Mein Kopf war voller falscher Glaubenssätze und Unsicherheit über mich und die Welt - da durfte ich erst mal ordentlich aufräumen und quasi einen inneren Hausputz machen. Und dann, ganz plötzlich, nahm mein Leben Fahrt auf. Ich las meine alten Tagebücher und war teilweise geschockt, wie klar und deutlich meine Voraussagen waren und wie feinfühlig ich die Welt erlebte. Warum nur hatte ich das aus meinem Leben verbannt? Kurz darauf begann ich meine ersten Ausbildungen als Channel und ging wenig später zu den Schamanen nach Peru. Alles, während ich meinem normalen Job als Redakteurin weiter nachging.
Seitdem lerne ich jeden Tag und jeden Moment, mich in all meinen Aspekten zuzulassen und anzunehmen. Ich lerne, indem ich handle und in die Aktion gehe, statt nur darüber zu sprechen. Ich lerne, indem ich mich ehrlich mit anderen Menschen austausche. Den roten Faden zu meiner Kindheit habe ich zum Glück wiedergefunden und bin wieder fest damit verbunden. Ich habe verstanden, dass meine innere Führung ein ziemlich cooles Wesen ist, denn durch diese Stimme werde ich wie an einer großen Hand liebevoll durchs Leben geleitet. Aus Rebellion habe ich mich eine Zeit lang selbst als Eso-Tusse bezeichnet. Radikales Annehmen. Und heute? Vorhin saßen im Café zwei Frauen neben mir, die sich über Yoga und Spiritualität unterhielten. Eine der beiden verkündete stolz, dass sie endlich zu sich stehen würde und bewusst sagt, was sie aus der Anderswelt wahrnehme. „So richtig esoterisch?“ fragte ihre Freundin irritiert. Einen kurzen Moment herrschte Stille. „Nee, so richtig ich“, lautete die Antwort. Danke. So einfach kann´s sein.