Welche Kleidergröße trägt die Liebe?
Gäbe es eine Farbe namens „Selbstzweifel“, für mich wäre es ein schmutziges Grau-Beige mit dunklen, ockergelben Sprenkeln. Leider muss ich zugeben, dass ich lange Zeit Teile meines Innenlebens in genau diesem Farbton namens Selbstzweifel gestrichen habe. Gott sei Dank ist viel in den letzten Jahren geschehen, ich habe mich weiterentwickelt und so einiges über mich und die Selbstliebe gelernt. Und doch: Nachdem ich in der letzten Woche diesen Artikel im New York Magazine zum Thema „Dünner werden für die Liebe“ gelesen habe und zwei frisch verliebte Freunde mir von ähnlichen Problemen erzählten, stellte ich mir die Frage:
Warum glauben wir eigentlich immer noch, nicht gut genug zu sein?
Es ist ein weit verbreitetes Phänomen. Der eine denkt vielleicht, er findet nie den richtigen Job oder eine angemessene Bezahlung für seine Arbeit, die nächste glaubt, die Liebe hätte sie vergessen und es wird nie der Richtige kommen. Wieder andere springen von Beziehung zu Beziehung, ständig in der Angst, sich wirklich auf jemanden einzulassen. Wir wappnen uns für Kämpfe und Konflikte, doch es fällt uns schwer, in das Gute zu vertrauen und in Liebe zu uns zu stehen. Was ist nur los mit uns? Wer oder was hat uns vermittelt, nicht gut genug zu sein und einfach nur das Beste für uns zu erwarten?
Ich für meinen Teil kann mich sehr gut mit der Dame aus dem New York Magazine Artikel identifizieren. Jahrelang hatte mich eine große Unsicherheit im Griff. Ich dachte, ich sei nicht schön oder dünn genug, um wirklich und ganz wahrhaftig geliebt zu werden. In der Schule war ich Spätzünderin, alle hatten längst einen Freund und ich fühlte mich wie eine Ausgelassene, Vergessene und redete mir ein, mich wird niemals jemand wirklich toll finden. Seitenweise füllte ich mein Tagebuch mit den immer gleichen Zweifeln, Ängsten und düsteren Zukunftsprognosen. Später hatte ich ständig das Gefühl, es gibt so viele bessere, schönere, erfolgreichere Frauen da draußen, warum sollte sich ein Mann wirklich und wahrhaftig für mich entscheiden?! Ich fühlte Eifersucht und Neid und zweifelte nicht mehr nur noch mich an, sondern mittlerweile auch schon meine Partner. Irgendwann schaltete sich dann mein Ego ein und bestätigte mich zynisch in meinen Zweifeln und Vorstellungen. Mit Kleidergröße 40/42 schien ich einfach nicht das richtige „Format“ für die wahre Liebe zu haben. Ein innerer Monolog aus Negativität und Grübeleien entstand und blieb über Jahre meiner Pubertät erhalten. Wie Gift streute ich meine Selbstzweifel in mein ganzes System und fühlte mich teilweise in meiner eigenen Haut gefangen. Das war ich. So dachte, handelte und fühlte ich noch vor einigen Jahren. Es dauerte einige Beziehungen, Affären, tolle Freunde, spirituelle Ausbildungen, Umdenken und viel Lebensschule, bis ich meinen persönlichen Durchbruch hatte und mich so lieben lernte, wie ich bin. Nach meinen ersten Schritten in Richtung Heilung machte sich zudem eine gewaltige Wut in mir breit. Darauf war ich nicht gefasst. Plötzlich konnte ich die „Schuld“ nicht mehr den anderen geben, meine Sätze mit „aber“ beginnen, Ausflüchte suchen und auch hilfloses Schulterzucken wirkte nicht mehr. Ich hatte einen Schlüssel erhalten und damit auch die Verantwortung für mein Seelenwohl. Irgendwann wich dann besagtes Grau-Beige-Ocker einem fröhlicheren Anstrich und Helligkeit und Freude machten sich in meinem Kopfkino breit. Ich wurde nicht glücklicher mit mir, weil es einfach so passierte. Ich entscheid mich ganz bewusst dafür. Jeden einzelnen Tag. Es war meine ganz persönliche Selbstwert-Transformation.
Das heißt nicht, dass ich heute keine Selbstzweifel mehr verspüre. Noch immer geschieht es mir, dass ich mich beispielsweise unter Wert verkaufe. Und doch: Ich habe gelernt und verstanden, dass ich vollkommen liebenswert, toll und wahrhaftig mit genau diesen Zweifeln bin und ich ganz einfach meinen Weg in meinem Tempo mache. Für mich gibt es in weiten Teilen heute kein besser, schneller, dünner oder erfolgreicher mehr. Die Messlatte von einst ist nicht mehr vorhanden für mich, sondern einer gesunden Selbstliebe gewichen. Ich habe meine Wahrnehmung so geändert, dass ich möglichst wohlwollende Gedanken denke und mich immer wieder aus vollem Herzen für die Freude entscheide. Über die letzten Jahre hat sich durch dieses Umdenken ein Automatismus aus Fröhlichkeit und Liebe in mir breit gemacht. Mein Selbstwert konnte sich erholen und wieder zur gesunden Höchstform zurückfinden. Heute verträgt er den ein oder anderen Einbruch, ohne dass ich gleich eine emotionale Talfahrt antrete. Und: Mir ging es noch nie so gut. Mein Leben bietet mir eine unendliche Fülle an Möglichkeiten und Optionen. Ich treffe inspirierende, wunderbare Menschen, erlebe jede Menge Abenteuer, liebe meinen Beruf, habe einen fantastischen Mann an meiner Seite und darf die ganze Welt bereisen. Mein Horizont wird ständig erweitert und ich wachse, lerne und liebe immer mehr. Ich fühle mich gesegnet in allen Aspekten meines Lebens. Das alles hätte die Christina von einst gar nicht zu träumen geglaubt.
Klar ist, wer einmal durch diese tiefen Täler durch ist, trägt den Weg in seinem Herzen. Meine Transformation gehört zeitlebens zu mir und hat mich in weiten Teilen definiert. Es ist ein ordentlicher Aufwand, unsere Prägungen und eingeredeten Vorurteile loszulassen. Doch, ganz ehrlich: Ich wähle lieber die unbekannte andere Seite des Regenbogens und mache mich auf den Weg, statt in meinen Ausdünstungen aus Selbstzweifeln stecken zu bleiben. Also, los! Da draußen warten so viel Liebe, Geld, tolle Jobs, Erfolg, Partner… Das alles will entdeckt werden. Wir leben in Freiheit, in einem fantastischen Land, in dem uns so viele Möglichkeiten offen stehen. Statt sich davon einschüchtern zu lassen, ist es Zeit, diese Chancen zu nutzen. Step by step raus aus der eigenen Komfortzone und rein ins wahre Leben. Der Weg zur Liebe, zum Geld, zum Traumjob beginnt bei uns selbst. Wenn wir nicht das Gefühl haben, dass wir es wert sind und es aus vollem Herzen verdienen, dann kann uns dort draußen nichts Passendes angeboten werden.
Das Gesetz der Anziehung besagt, dass unsere Realität widerspiegelt, was wir bewusst und unbewusst denken, fühlen und wonach wir handeln. Kurz gesagt: So wie ich der Welt begegne, begegnet die Welt mir. Wer Selbstzweifel ausstrahlt, erhält in den seltensten Fällen den Traumjob. Füllen wir aber unser Denken, Handeln und Tun mit Liebe und Positivem, so erschaffen wir automatisch Situationen, Begegnungen und Möglichkeiten, die eben auch entsprechend von Liebe geprägt sind. Ganz einfach, oder? Wie bei allem im Leben geht es auch hier um die Übung. Und: Es gibt Wege und Möglichkeiten, die uns im Alltag unterstützen:
Die Konzentration auf die Lösung statt das Problem richten. (Siehe auch mein Video “Wähle die Lösung statt das Problem“)
Den Genuss wieder ins Leben lassen. Menschen, die schon lange mit Selbstzweifeln und inneren Kämpfen zu tun haben, fällt es oft schwer, richtig zu genießen. Tut Euch etwas Gutes und genießt es bewusst in vollen Zügen!
Unser Verlangen annehmen. Wer zweifelt, glaubt, sein Verlangen habe keine Berechtigung. Macht Euch bewusst, dass es völlig in Ordnung ist. Und: Beobachtet Euer Denken rund um dieses Verlangen. Die Bewusst-Werdung ist der erste Schritt zur Heilung.
Schickt Euch selbst positive Nachrichten. Manche kleben Post-its an den Spiegel, andere schreiben Tagebuch oder senden sich selbst Emails. Was auch immer für Euch funktioniert: Wendet es an. Je mehr positive Gedanken, desto besser.
Bittet um Unterstützung: Freunde, Familie oder einen festen Termin im Handy. Lasst Euch erinnern, worum es Euch geht und bittet jemanden, Euch darauf aufmerksam zu machen, wenn Ihr in alte Muster zurückfallt. Das ist völlig okay, wir üben.
Ein Transformationsprozess dauert in der Regel etwa 21 Tage. Also: Habt Geduld mit Euch und seid gnädig. Wir waren lang genug in einer anderen Richtung unterwegs. Körper, Geist und Seele dürfen nun umlernen.
Schafft Verbindlichkeiten auf Eurem Weg. Sei es der wöchentliche Yogatermin, regelmäßige Check-up-Treffen mit Freunden oder der Eintrag ins Tagebuch. Schafft Verbindlichkeiten rund um Euren Selbstwert und füllt Euer Leben mit Erlebnissen, die positiv sind.
Es scheint banal, doch mehr braucht es wirklich nicht. Ihr habt die Karte zum Selbstwert-Fitnessclub, nur hingehen und „Sport“ machen müsst Ihr selbst. Es ist eine Entscheidung, die wir alle treffen können. Und es ist unsere Verantwortung. Hätte ich damals weiterhin selbstmitleidig geglaubt, die Liebe sei abhängig von irgendeiner Kleidergröße - wer weiß, wo ich heute wäre! Es mag eine kleine Zeit dauern, bis sich Veränderungen zeigen. Doch ganz sicher: Veränderungen werden kommen. Und je mehr Ihr Euren Zweifeln und Selbstsabotagen auf die Schliche kommt und diese durch positive Gedanken ersetzt, desto schneller wird es vonstatten gehen. Entscheidet Euch jeden Tag von neuem dazu, liebevoll mit Euch umzugehen und dass Ihr das absolut Beste vom Leben erhalten werdet. Überzeugt Euch selbst davon. Ihr seid es wert.
Text: Maria Christina Gabriel
Bilder via Byzantine