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Gay Life Coach Jordan Bach

Es ist ein kalter Mittwoch, als ich Jordan Bach in seinem Lieblingscafe im New York West Village treffe. Der 27-jährige strahlt aus blau-grünen Augen, setzt sein buntes Cap ab, während wir uns setzen und bestellt kurze Zeit später eine Portion geschmorte Artischocke (Mhm!). Seit fünf Jahren arbeitet der gebürtige Bostoner als Gay Life Coach in New York und gehört zum engen Freundeskreis von Spiritjunkie Gabrielle Bernstein. Während meines Gespräches mit Jordan hatte ich immer wieder Gänsehaut. Nicht, weil er so ein charmanter Typ und vielseitiger Coach ist, sondern weil er mir quasi nebenbei Einblick in Themen gegeben hat, die ich bislang noch nicht durchschaut habe (Ciao, Perfektionismus!). Und in Momenten purer Wahrheit und reinen Fühlens bekomme ich Gänsehaut. Aber nun mal von Anfang an.

Jordan, du hast Marketing an der Parsons School of Design studiert, arbeitest nun aber als Gay Life Coach. Wie kam es zu diesem Umbruch?

Seit meinem dritten Lebensjahr spürte ich ein großes Interesse an allem Spirituellen und der menschlichen Psychologie. Trotzdem hatte ich das Gefühl, etwas Richtiges, Bodenständiges machen zu müssen. Als ich dann mein Studium abgeschlossen hatte, wollte ich eigentlich in die Mode gehen und führte meine ersten Bewerbungsgespräche. Instinktiv spürte ich, dass dieser Weg nicht der richtige für mich war. Doch was konnte ich stattdessen machen? Ich verließ New York und bin erst einmal zurück zu meiner Mutter nach Boston gezogen, um herauszufinden, was ich mit meinem Leben anstellen sollte. Es war eine ziemlich deprimierende Zeit und zu viele Tage und Nächte verbrachte ich damit, Oprah im Fernsehen anzusehen und Rotwein zu trinken (lacht).

Was hat dich nach diesem Tiefpunkt wieder motiviert?

Ich begann, Tagebuch zu führen und mich damit zu beschäftigen, was mich in meinem bisherigen Leben Freude und Sinn hat spüren lassen. Dabei bin ich wieder diesem kindlichen Gefühl begegnet und erinnerte mich, wie begeistert ich war, die menschliche Psychologie zu verstehen und mich mit Spiritualität zu beschäftigen. Ich liebte es bereits als Kind, andere zu motivieren und zu inspirieren. Eines Tages saß ich auf meinem Bett und spürte, dass es Zeit war, loszulegen. Ich hatte keine Ahnung, wo das hinführt, aber ich musste diesem Gefühl folgen und anfangen. Das war 2009.

Was hast du konkret unternommen?

Ich fing an, die Ressourcen zu nutzen, die mir offen standen. Das war primär das Internet. Also begann ich mit einem Blog und Twitter und erreichte Schritt für Schritt immer mehr Follower. Zwischenzeitlich bin ich zurück nach New York gezogen und habe verschiedene Jobs gemacht und gemodelt, um genug Geld zu verdienen. Eines Tages sagte meine gute Freundin Gabrielle zu mir: „Jordan, du hast diese Gabe und du solltest sie wirklich nutzen. Leg richtig los!“ Das gab mir viel Mut und ich folgte meiner Idee und wurde Coach.

Was war die größte Herausforderung für dich?

Jeder Mensch, der diesen Weg einschlägt und andere unterstützen und beraten möchte, kommt an den Punkt des Selbstzweifels. Mir begegnete ein tiefes Gefühl von Unsicherheit und „Habe ich es wirklich drauf?“ oder „Was weiß ich schon, um anderen Menschen helfen zu können?“. Ich habe schließlich genügend eigene Probleme im Leben und ich wollte nicht, dass jemand glaubt, ich weiß, wo es langgeht. Damals verstand ich, dass es nicht darum geht, perfekt zu sein, sondern offen zu sein und den Willen zu haben, etwas zu verändern. Das ist es, was Coaching für mich ausmacht: Meinen Klienten Zeit zu widmen und für sie einen energetischen Raum zu halten, um die Dinge in ihrem eigenen Leben aus einer neuen Perspektive zu sehen und zu wachsen.

Welche Herausforderung begegnet dir am häufigsten mit deinen Klienten?

Viele Menschen nehmen sich nicht die Zeit, so einen Raum für sich selbst zu schaffen. Wir sind zu beschäftigt mit unseren Mitmenschen, wie wir es anderen Recht machen können und verlieren so beständig unsere Kraft. Doch erst wenn wir uns Zeit für uns selbst nehmen, geschehen Wunder.

Du bist auf Twitter, Facebook, YouTube und Instagram, hast deine eigene Website… Wie erreichen deine Klienten dich und was bietest du an?

Menschen erreichen mich im Internet, weil sie meine Tweets oder Instagrams finden. Sie sehen meine Videos, kommen zu einer Sitzung vorbei und empfinden oft, dass ich ihnen etwas reflektiere. Zu Anfang gebe ich immer eine kostenlose Konsultation, um zu sehen, wie und ob man sich versteht und ob es eine Offenheit beim Klienten gibt. Ich arbeite gerne mit Klienten, die wirklich bereit sind, für eine tiefgreifende Veränderung in ihrem Leben. Und dann geht es los. Ich starte jede Sitzung mit einer Meditation und spreche meine Klienten regelmäßig etwa alle zwei Wochen. Oft auch per Skype, da viele meiner Klienten überall in der Welt unterwegs sind.

Deine Themenschwerpunkte sprechen vor allem die LGBT-Community (Lesbian, gay, bisexual and transgender) und das Coming-out an. Wie hast du deine Kindheit und Jugend als schwuler Mann erlebt?

Ich habe erst vor kurzem angefangen, offen über meinen Familienhintergrund zu sprechen. Mir ist es wichtig, nicht den Anschein zu vermitteln, mein Leben wäre immer leicht, einfach und schön gewesen. Ich wuchs in einer Familie auf, in der Abhängigkeit und Missbrauch große Themen waren. Die Ehe meiner Eltern war … (pausiert) - sie hatten eine fürchterliche Ehe. Ich war ein hypersensibles Kind und es war überwältigend für mich, ständig von emotionalen Unruhen umgeben zu sein. Ich entwickelte früh eine schwere chronische Krankheit, die mich oft wochenlang ans Bett fesselte. Es war schwer.

Magst du uns erzählen, was für eine Krankheit du hattest?

Es war ein Zustand, in dem mein Gesicht, meine Lippen, Arme, Hände usw. unkontrollierbar anschwollen und sich überall Quaddeln bildeten. Das ging bis zu den Fußsohlen und machte sogar das Gehen an manchem Tagen unmöglich. Ich wusste nie, wann es wieder losging und konnte tagelang nicht zur Schule gehen. Das prägte meine gesamte frühe Kindheit und meine Innenwelt sah ziemlich stürmisch aus. Heute sehe ich mich selbst als eine Erfolgsgeschichte. Ich war ein Kind, dass durch so große emotionale Aufs und Abs ging, dass ich davon physisch krank wurde. Heute bin ich an einem Punkt, an dem ich Frieden spüre. Die meiste Zeit zumindest (lacht). Das ist ein großer Erfolg für mich.

Mit welchem Alter hast du herausgefunden, dass du schwul bist?

Ich wusste es immer (lacht).

Wann hattest du dein Coming-out und wie hat deine Familie reagiert?

Während es in meiner Familie viele emotionale Unruhen und Missbrauch gab, erhielt ich zugleich auf manchen Ebenen Unterstützung. Meine Eltern sagen, sie wussten immer, dass ich schwul bin und es war von Anfang an okay für sie. Mein offizielles Coming-out hatte ich mit 12 Jahren. Meine Mum hat mich direkt darauf angesprochen - ich musste noch nicht mal durch den harten Part hindurch! Ich erinnere mich, dass ich auf der Küchenanrichte saß. Meine Mutter rauchte eine Zigarette, sah mich an und fragte „Glaubst du, du bist schwul?“. Ich nickte still. Sie antwortete: „Dachte ich´s mir.“ Dann setzte sie meine Schwester und mich ins Auto, wir kurbelten die Fenster herunter, hörten laut Tina Turner und fuhren los. Meine Mutter holte sich eine neue Packung Zigaretten und ich bekam Süßigkeiten. Das war´s. Damit wußte ich, dass ich bei mir zu Hause okay sein würde. Außerhalb meines Wohnumfelds sah das anders aus. In der Schule wurde ich gehänselt, weil ich schwul bin.

Das ist sicherlich eine ganz andere Art Erfahrung des Coming-outs als es viele deiner Klienten erleben.

Auf jeden Fall. Ich sehe es so: Wir werden in diese Welt geboren und sind pure Liebe. Wenn man in die Augen eines Babys blickt, ist da nichts als Liebe. Kinder können sich stundenlang voller Freude und Hingabe mit sich selbst beschäftigen. Doch Stück für Stück lernen wir, Angst zu haben. Wir erfahren, dass diese Welt von Angst geprägt ist. Zuerst hören wir es nur, doch irgendwann glauben wir es. Die wahre Aufgabe liegt darin, diese Angst wieder zu verlieren, das Erlernte wieder zu verlernen. Die Aufgabe liegt darin, zur Liebe zurückzukehren.

Also das, was wir als Wunder bezeichnen.

Wenn wir in Liebe leben, können wir jeden Moment Wunder erleben. Wir können „Verlernen“ üben - jeden Tag. Trainiere deinen Mind, schule deinen Verstand um. Weg von der Angst, zurück zur Liebe.

Wie geht man das am besten an?

Die kraftvollste Übung für mich ist, auf unsere Atmung zu achten. Ob wir gerade darüber nachdenken, was wir heute noch alles machen müssen, wie die Arbeit war oder ob ich mich schäme, weil ich schwul bin - egal wie hoch das Stresslevel gerade ist: Fokussiere dich auf deine Atmung. Atme ein und nehme diese Öffnung deines Körpers wahr. Ein Kurs im Wundern sagt, das Wunder kommt zu denen, dessen Mind still ist. Die Atmung ist für mich ein praktisches Tool, um genau diesen Moment zu erreichen. Es ist eine Heimkehr, ein nach Hause kommen.

Ist das das Ziel?

Das Leben ist für mich ein kontinuierliches nach Hause kommen. Manchmal klappt es besser, an anderen Tagen weniger. Mit der Zeit verbringen wir mehr und mehr Zeit mit uns und in dieser Wahrheit, die Liebe heißt. Ich beobachte, wie viele Menschen sich täglich mit dem Gedanken an Scham auseinandersetzen. Das betrifft nicht nur die LBGT-Community. Man muss nur an die großen Weltreligionen denken, die Scham predigen. Oder wie viele Lehrer ihre Schüler beschämen. Mit der Zeit übernehmen wir das und machen es uns zueigen. Wir sagen uns, dass wir es nicht schaffen, nicht gut genug sind. Da sind all diese Challenges, die wir uns setzen und dann machen wir uns nieder, wenn wir es nicht zu 100 % schaffen. Ich habe Klienten, die verzweifelt zu mir kommen und sagen „Ich war auf einem so guten Weg, doch die letzte Woche habe ich alles falsch gemacht. Ich habe nur Junk Food gegessen, One-night-Stands mit den falschen Leuten gehabt, nicht meditiert,…“ Da kann ich nur sagen „Cool! Das ist Teil deiner Reise. Alles ist ein Prozess.“ Erkenne das in dem Moment, in dem du anfängst, dich nieder zu machen, dein Ego spricht. Wir verlassen nie unseren spirituellen Pfad!

Trotzdem fühlen wir Menschen uns gerne als Opfer der Umstände und suchen nach einem Schuldigen für unser Unglück.

Ich glaube, das Leben hat ein eingebautes GPS (lacht). Es korrigiert ständig unseren Kurs, wenn wir auf dem falschen Pfad sind und schickt uns Signale. Wenn wir also Entscheidungen treffen, die nicht zu unserem höchsten Wohl sind, wird uns das Leben automatisch darüber informieren. Die Frage ist nur, ob wir es auch wahrnehmen und achten. Manchmal kommt diese Korrektur in Form einer Krankheit wie bei mir in der Kindheit. Bei anderen ist es vielleicht eine Trennung oder die Jobkündigung. Das Leben unterstützt uns in jedem Moment unseren Seins. Was will das Leben mir also in diesem Moment sagen?

Erzählst du uns etwas zu deiner täglichen Routine? Wie gestaltest du deinen Tag?

Ich liebe es, sehr früh aufzustehen. Je nachdem, wie ich drauf bin, starte ich meinen Tag gegen 5 Uhr morgens. Wenn ich aufwache, nehme ich mir einen Moment, um ganz bei mir zu sein und mich zu verbinden - bevor die Gedankenströme beginnen und ich schon mittendrin bin im täglichen Chaos. Manche können das gut auf der Yogamatte oder mit einem Mantra. Ich mache es gleich, nachdem ich aufgewacht bin und noch im Bett liege. Kalte Duschen gehören außerdem zu jedem Tag. Nicht nur morgens, sondern auch, wenn ich innerlich fliehen möchte und beispielsweise Essen dazu nutze. Eine kalte Dusche gibt mir meine Energie zurück, bringt mich wieder zu mir zurück und setzt den Impuls für den Rest des Tages. Außerdem liebe ich Kundalini-Yoga und die Übung „Ego Eradicator“, auch „Ego Vernichter“ genannt. Am besten gleich nach der kalten Dusche, das rundet das Erlebnis ab und heizt mich innerlich wieder auf.

Was manifestierst du für deine Zukunft?

Ich beabsichtige, eine Inspiration und ein Lichtfunke für andere Menschen zu sein, genau wie meine Vorbilder es für mich waren. Ich möchte jemand sein, in dem andere sich selbst erkennen und Hoffnung finden. Ich weiß nicht, welche Form das annehmen wird oder wann es sich manifestiert. Ich konzentriere mich darauf, wie ich mich fühlen möchte und überlasse die Form dem Universum. Für mich ist es wichtig, das zu machen, wofür ich hier bin.

Mehr Infos zu Jordan findet Ihr hier und hier.

Text: Maria Christina Gabriel

Fotos: Jordan Bach, Justin Livingston, Mel Barlow

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