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Reisen als Therapie?

Reisen war für mich schon immer Abenteuer pur. Ich liebe es, andere Länder zu erkunden, Kulturen zu entdecken und in eine andere Art von Leben einzutauchen. Seit ich denken kann, fliege ich um die Welt. Der größte Dank geht daher an meine Eltern, die sich früh gegen ein schickes Eigenheim und drei Autos entschieden haben, dafür aber mit mir durch den brasilianischen Dschungel stapften oder Südindien entdeckten.

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Fast jeder Geldschein meines Ersparten wird ins Reisen gesteckt. 2014 bin ich von der Schweiz, Italien, Berlin, Nepal, Tibet über den Schwarzwald und Taunus nach New York, Boston und Woodstock unterwegs gewesen. Meine Freunde haben sich dran gewöhnt, meine Familie kennt mich nicht anders und den Spruch: "Bei dir wird es auch nie langweilig" kann ich persönlich nicht mehr hören. Ja, ich reise viel und gern. Und ja, es ist eine ganz bewusste Entscheidung.

Nepal, 2014

Mal abgesehen vom Abenteuer, hat mich das Reisen einiges gelehrt. Ich würde sogar soweit gehen, dass Reisen meine Therapie ist. Meiner Erfahrung nach verliert man Scheu und Unsicherheit am besten, wenn man alleine in fremden Ländern unterwegs ist. Höhenangst lässt sich wunderbar im feuchten Nebel von Machu Picchu oder auf steilen Mexikanischen Pyramiden mit gebrochenen Stufen ablegen. Da lernt man übrigens auch, jede helfende Hand dankbar und ohne Hintergedanken zu ergreifen. Das bibbernde und stetig quengelnde Ego verstummt, wenn man eifrig im Zelt zusammenrückt, um einem Baby Raum und Wärme in der nächtlichen Eiseskälte am Mount Everest zu geben. Wer weiß, was mich das bei einem Therapeuten um die Ecke gekostet hätte. Und wie lange ich da noch hin müsste zur Themenbewältigung...

Mexiko, 2012

Das Reisen hat mich wachsen lassen und mir schon als Kind eine andere Perspektive zu meinem kleinen Ruhrpott-Leben versprochen. Früh begriff ich: Da draußen wartet eine großartige Welt. Dinge, die vielleicht für mich und in meiner Stadt nicht möglich sind, gehörten irgendwo längst zur Selbstverständlichkeit. Ebenso wie meine Vorstellungen von normaler Hygiene, einem guten Essen, Freiheit und öffentlichen Liebesbekundungen für andere Menschen ein unvorstellbarer Luxus sind. Wenn ich reise, lasse ich mich von diesen zwei Seiten der Medaille berühren: von allem Schönen und Unaussprechlichen, das mir unterwegs begegnet. Diese Eindrücke lassen mich wachsen und stetig menschlicher werden. Durch sie empfinde ich pure Dankbarkeit für mein Leben.

Israel, 2013

In all den Jahren on the road erhielt ich immer eine starke Führung. Es sind Impulse von außen, doch das wirkliche Wunder findet innerlich statt, wenn ich ruhiger und aufmerksamer werde und es nur noch das Jetzt gibt. Jede Destination prägt dabei anders. In Israel bin ich alleine per Anhalter hoch in die Golanhöhen Richtung Syrien gefahren. In Tibet hatten wir mit dem Auto auf über 5000 Metern Höhe einen Achsenbruch und haben es ohne großes Werkzeug nur mit vereinten Kräften repariert und fahrtüchtig gemacht. In Peru erntete ich Mais mit den Feldarbeitern und bin bei den Queros in den Bergen aufgenommen worden. Bolivien habe ich in einem Bus entdeckt, der außer mir und einigen Reisenden mit Bergen von Popcorn beladen war. In Nordamerika wanderten wir stundenlang orientierungslos durch die Wälder, nur um auf einer Lichtung vor uns plötzlich einen gigantischen Weißkopfseeadler an einem See nisten zu sehen.

Mein Reisebegleiter war schon immer das Vertrauen - das wohl größte und schönste Geschenk, welches einem das Reisen gibt. Versteht mich nicht falsch: Reisen soll niemanden offensichtlich in Gefahr bringen. Ein gesundes Maß an Vorsicht gehört natürlich immer dazu. Doch es ist für mich unverzichtbar, das Schubladendenken, die Urteile und Hintergedanken in meinem Kopf zu hinterfragen und mich auf das Abenteuer, das mich erwartet, einzulassen. Ich vertraue darauf, dass alles sich zum Besten entwickelt und es einen Grund gibt, warum ich in ein Land reise und dort die Menschen kennenlerne, die ich treffe. Und: ich bin unendlich dankbar dafür, in einer Position zu sein, mir all diese Träume, Abenteuer und Therapieformen zu erfüllen.

Tibet, 2014

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